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Das neue Zeitalter der RNA-Medizin
2. März 2021
Hannes Schmeil General Manager, Alnylam Deutschland |
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
als die Pandemie vor etwa einem Jahr die Welt aus den Angeln hob, brachte dies für viele Menschen mit Vorerkrankungen oder seltenen Erkrankungen einen Rückschritt in der Versorgung. Vorerkrankungen bedeuten nicht nur ein höheres Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken. Die Pandemie sorgte auch dafür, dass die medizinische Versorgung eingeschränkt und wichtige Forschung an neuen Therapien verzögert wurde. Das ist die pessimistische Perspektive auf die Auswirkungen der Pandemie. Es gibt aber auch eine positive Perspektive. Wir erleben den Beginn einer neuen Ära der Medizin, die für viele bislang ungelöste medizinische Probleme neue Behandlungsmöglichkeiten ermöglichen wird: Das Zeitalter der RNA-Medizin.
Wirksame und verträgliche Impfstoffe – darin wird die Lösung des weltweiten Pandemie-Problems liegen. Zwei davon, entwickelt von Biontech und Moderna, fußen auf einem neuen Wirkprinzip: mRNA. Messenger- bzw. Boten-RNA transportiert die Bauplan-Information für Proteine (in diesem Fall Virus-Proteine, gegen die das Immunsystem sich wappnen soll), die dann von unseren Körperzellen selbst hergestellt werden.
Das Prinzip der mRNA-Wirkstoffe ist eng verwandt mit den von Alnylam zur Anwendungsreife entwickelten RNA-Interferenz-(RNAi)-Arzneimitteln, nur dass bei der RNA-Interferenz ein körpereigener Zell-Mechanismus bedient wird, um die Gene herunter zu regulieren bzw. ganz abzuschalten. Dies geschieht indem gezielt bestimmte körpereigene mRNA „abgefangen“ wird, bevor der in der mRNA gespeicherte Bauplan für die Herstellung eines Proteins genutzt wird.
RNA-Medikamente sind vergleichsweise einfach herzustellen. Sie verfügen über einen einheitlichen Bauplan (die Abfolge von 4 Buchstaben, sog. Basen), deren Kombination die gewünschte Zielsequenz ergibt. Sie werden im großtechnischen Maßstab chemisch, d.h. nicht mit Hilfe von Mikroorganismen, hergestellt. Dies ermöglicht eine flexible, skalierbare und vor allem sehr sichere Produktion für jedwede mögliche Anwendung.
Es galt in der Entwicklung zwei wesentliche Herausforderungen zu meistern, die jahrzehntelanger Forschung bedurften. Erstens: Wie gelangt das RNA-Medikament an den richtigen Wirkort, die Zielzelle? Und Zweitens: Wie kann die RNA auf dem Weg zu ihrem Wirkort stabil gehalten werden (RNA-Moleküle sind außer- und innerhalb von unseren Zellen sehr instabil und werden binnen kürzester Zeit abgebaut). Beide Herausforderungen wurden zwischenzeitlich gelöst, u.a. dadurch, dass die RNA-Moleküle – mRNA-Impfstoffe genauso wie RNAi-Produkte – in sogenannte Lipid-Nanopartikel (LNPs), kleine Fettkügelchen, eingeschlossen werden, die diese geschützt an ihren Wirkort verbringen. Für RNA-Interefenz-Medikamente galt es zudem noch die Frage zu klären, welche biologische Konsequenz das Abschalten von Genen im Körperstoffwechsel hat (denn Gene haben ja eine notwendige Funktion im Organismus). Die Lösung liegt in der Redundanz, die in unserem Körper angelegt ist: Viele Stoffwechselwege sind über verschiedene Gene parallel angelegt, sodass der Ausfall eines einzelnen Gens meist keine unmittelbar fatalen Folgen für den Organismus hat.
Von Orphan Drugs zur Volkskrankheit
Seltene, genetisch-bedingte Erkrankungen, die ihren Ursprung in der Mutation eines einzelnen Gens in einem bestimmten Organ haben, sind für die Anwendung von RNA-Interferenz-Therapeutika der erste Ansatzpunkt. Alnylam fokussiert sich aktuell auf Therapien, für die es keine oder nur unzureichende Behandlungsmöglichkeiten gibt. Aktuell sind das sehr seltene Stoffwechselerkrankungen wie die erbliche Transthyretin-Amyloidose (ATTRv), die akute hepatische Porphyrie (AHP) sowie die primäre Hyperoxalurie Typ I (PH1). RNAi-Wirkstoffe sind aber nicht auf seltene Erkrankungen begrenzt. Mittlerweile rücken auch weiter verbreitete Leiden ins Visier, zum Beispiel Fettstoffwechselerkrankungen wie die therapierefraktäre Hypercholesterinämie, einer der häufigsten Ursachen von tödlich verlaufenden Herz-Kreislauferkrankungen.
Die Möglichkeiten, die die Gen-Stillegung durch RNAi eröffnet, sind schier unbegrenzt. Aktuell forscht Alnylam in Kooperation mit Regeneron etwa an RNAi-Anwendungen für Erkrankungen des zentralen Nervensystems (etwa Alzheimer und Morbus Huntigton). Um hier erfolgreich zu sein, erforschen wir neue Wege, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. In unserer Kooperation mit Vir Pharma erforscht Alnylam Ansätze zur Bekämpfung von Virusinfektionen. Zu einem laufenden Entwicklungsprogramm gegen Hepatitis B ist 2020 die Forschung an einer Therapie von COVID-19 mittels RNA-Interferenz hinzugekommen. Auch ein RNAi-Präparat zur Behandlung des Bluthochdrucks befindet sich im Stadium der klinischen Forschung. Mittel- bis langfristig ist es ebenso denkbar, nicht nur die Aktivität einzelner Gene zu regulieren. Mit wachsendem Verständnis dieser Prozesse rücken Therapieansätze in den Bereich des Möglichen, mit denen gleich mehrere Gene gleichzeitig in ihrer Funktion reguliert werden könnten. Auf der anderen Seite bieten auch die von vielen Unternehmen weiter voran gebrachten mRNA-Wirkstoffe eine aussichtsreiche Perspektive über die schnelle Impfstoffentwicklung hinaus, etwa im Bereich der Krebstherapie. Die nächsten Jahre und Jahrzehnte werden also noch zahlreiche medizinische Durchbrüche bringen, von denen viele von uns noch zu Lebzeiten profitieren werden. Willkommen im Zeitalter der RNA-Medizin!
Herzlichst, Ihr
Hannes Schmeil
General Manager
Alnylam Deutschland
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